Dienstag, 23. April 2019

Zwischenfazit

Nach über 24 Stunden unterwegs sind wir wieder in heimischen Gefilden angekommen. Und haben sogar den recht knapp kalkulierten Direktzug nach Graz erwischt. Zum Glück. Mit 30kg Gepäck war die Lust endenwollend, 2-3x umzusteigen. Und das hätten wir mit den Verbindungen die nächsten Stunden danach müssen. Die ÖBB-Welt hat uns wieder, Ade japanisches Zugnetz.
Und auch, dass man im Zug nicht telefonieren soll und die Handys auf Silentmode stellen, und auch, dass sich alle dranhalten, wird schmerzlich vermisst. Seit in Wien Hbf eine einstieg, die sich mit ihrem Gegenpart lang und breit über die Unterwäsche ihres Sohns unterhält. Es hat auch seine Vorteile gehabt, von den Gesprächen nichts zu verstehen ;-)
Berichtigung: Das mit der Ruhe gibt es auch in österreichischen Zügen, zumindest in einigen Wagons. Da steht dann Ruhezone. Und in so einem sitzen wir doch tatsächlich. Weshalb die nächste Dauertelefoniererin dann vom Schaffner auch höflich aufgefordert wurde, ihr Gespräch abzubrechen oder im anderen Wagon fortzusetzen. Na sowas.

So. Mit den Berichten sind wir ja lange noch nicht zu Ende. Es wird hier also schon noch neue Beiträge geben. Nicht gleich wieder lesen aufhören. Und auch das mit den Bildern wird sich noch bessern, da kommen noch welche nach.

Also, wo waren wir stehen geblieben. Miyajima war das letzte. Danach haben wir noch einen Nachmittag und eine Nacht in Osaka verbracht, auch davon war bereits die Rede. Danach ging es vom südwestlichen Teil Honshus über Tokyo etwas nach Nordosten. Nach Nikko. Mit 3x Umsteigen. Shinkansen zu Shinkansen war schon die erste Herausforderung, da die Shinkansen nach Norden von einem komplett anderen Gleisabschnitt fahren. Mit eigenem Gate. Dann in Utsunomya umsteigen in den Lokalzug. Aber immer noch Japan Rail. Es gäbe von Tokyo auch eine Direktverbindung ohne Umsteigen nach Nikko. Das hätte jedoch nicht nur extra Fahrpreis bedeutet, sondern auch einen Bahnhofswechsel. Die direkte Strecke wird nämlich von Tobu betrieben, und deren Züge fahren von einem anderen Bahnhof. So toll das Streckennetz in Japan ist, so kompliziert scheint es auch manchmal. Da oft unterschiedliche Betreiber, sind nämlich relativ oft beim Wechsel auf eine andere Strecke nicht nur die Gleise zu wechseln, sondern auch die Stationen. Also auch mal rauf oder runter und raus und über die Kreuzung oder ums Eck und wieder rein und runter oder rauf. Mit Tagesgepäck aber alles machbar. Wir hatten nach Nikko jedoch unser ganzes Gepäck dabei. Das inzwischen auf über 20kg angewachsen war. Da war die Freude dann groß, auf Gleis 2 anzukommen. Hieß nämlich, das Gepäck ohne Rolltreppe ca. 40 Stufen Übergang rauf und auf der anderen Seite wieder runter zu schleppen. Und da wir dann zwar in Nikko waren, unser Quartier jedoch noch mal 17km weiter am Ufer des Chuzenji Sees lag, hatten wir noch eine Busetappe vor uns. Mit extrem schmalem Einstieg mit mehreren Stufen. Und keinem Platz für das Gepäck. Hat ein bisschen gedauert, bis wir drin waren. Und alle inklusive Busfahrer haben sich das ganze Schauspiel ruhig gegeben. War aber auch ein Schauspiel. Mir entfuhr nämlich ein lauter Fluch, als ich die engen Stufen sah. Und das gilt in Japan als schlechtes Benehmen. Man zeigt öffentlich keine Emotionen. Angeblich noch nicht mal beim Trauern. Und hilft auch niemandem, wenn er sich schwer tut. Auch nicht der alten Frau, die beim nächsten Stop einstieg und mit ihren zwei schweren Einkaufstaschen ähnlich lang wie wir in den Bus brauchte. Hat laut unseren Erklärbüchern einerseits etwas damit zu tun, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Und andererseits damit, dass man dann in der Schuld des Helfenden oder auch Sitzplatz anbietenden stünde, und das keiner will, weil man ja die Schuld nicht zurückgeben kann, und um den Leuten das zu ersparen, bietet man erst gleich keine Hilfe an. Und setzt sich, und wenn der Wagon noch so voll ist, erst gar nicht auf die Priority-Sitze für Alte und Schwangere. Wirklich mehrmals so erlebt. Aber wir haben auch ganz viel Hilfsbereitschaft erlebt in Japan. Also, wie immer mit den Klischees, Ausnahmen bestätigen die Regel.
So auch mit dem Englisch. Angeblich wird das in Japan nämlich nicht besonders oft und überall gesprochen. Mag vielleicht daran liegen, dass wir fast immer nur in Städten und am Land eigentlich gar nicht unterwegs waren, aber dass gar niemand zumindest ein paar Brocken Englisch konnte, haben wir kaum erlebt. Zugegebenermaßen, für ein Gespräch oder sinnverstehendes Erklären hat es dann meistens doch nicht gereicht. Aber an allen Bahnhöfen und Infoschaltern haben wir immer jemanden mit gutem Englisch erwischt. Und auch so immer wieder. Ratlos an der Bushaltestelle, weil der Bus, den wir brauchten, nicht nach Fahrplan fuhr, aber der, der gerade kam, zumindest in die Richtung. Erklärte uns in super Englisch ein mit uns Einsteigender, erfragte das als Bestätigung nochmal für uns beim Busfahrer und gab uns an der richtigen Haltestelle auch das Signal zum Aussteigen. Oder in Kyoto die Bushaltestelle suchend und erstmal in die falsche Richtung los. An einem uns etwas hinterherschimpfenden alten Mann vorbei. Erster Gedanke: Ah, einer von denen, die keine Ausländer mögen. Weit gefehlt, als wir den Fehler bemerkt haben und wieder vorbei kamen, haben wir ihn dann auch verstanden, er wollte wissen, wo wir hin wollen und hat uns dann die Richtung zur Bushaltestelle gezeigt. Was wie Bellen klang, war eine freundliche Hilfe. Und ich bin in mich gegangen und habe meine Vorurteile revidiert. Es waren erstaunlich oft alte Männer, die an Kreuzungspunkten von Sehenswürdigkeiten standen und freudig Richtungen und Wegzeiten in holprigem Englisch erklärten.

Heike

Montag, 22. April 2019

Und noch eine Insel. Miyajima - noch ohne Bilder

Der südlichste Punkt unserer Reise war die vor Hiroshima gelegene Insel Miyajima. Gleichzeitig auch der westlichste. Und da wir nicht zu oft Hotel wechseln wollten, und danach ja eh wieder zurück mussten, haben wir das Ganze als Tagesausflug von Okayama gemacht. Einmal Shinkansen fahren ohne großes Gepäck. Bis Hiroshima. Danach noch ein Stückchen mit dem Lokalzug und 10 Minuten mit der Fähre übersetzen. Die tagsüber einen größeren Bogen und damit etwas näher an das im Meer stehende große Torii heranfährt. Dieses Torii gehört zum Itsukushima Shinto Schrein, der mit dem Meer auf der Vorderseite und dem Urwald des Berges Misen dahinter (Nationaler Schatz bzw. Naturschatz) mit einer Gesamtfläche von 431,2 Hektar seit 1996 als Weltkulturerbe eingetragen wurde. Das sind immerhin 14% der gesamten Insel. Bereits 1643 wurde Miyajima als eine der drei schönsten Landschaften Japans beschrieben.

Neben dem Itsukushima Schrein hat die Insel weitere Schreine und Tempel und Sehenswürdigkeiten zu bieten. Von denen wir immerhin ein paar gesehen haben.

Vom Fähranleger Richtung Schrein sind uns schon mal die ersten Vertreter des überall herumlaufenden zahmen Wilds begegnet. Die anscheinend ganz gerne Papier und Stoff anknabbern. Bei uns zum Glück nicht.


Bis wir uns durch die Omotesando Einkaufsmeile gekämpft hatten, war die Ebbe noch weiter fortgeschritten und das Torii fast schon zu Fuß erreichbar. Jedenfalls konnte man zum Fotos machen recht nahe dran. Das O-Torii, das große Tor, ist selbst noch einmal als nationales wichtiges Kulturgut erklärt. Das heutige Torii, das achte seit der Erbauung in der Heian-Zeit (12.Jh.), wurde 1875 errichtet. Es ist 16,6m hoch. Steht so auf dem Info-Zettel. Damit ist dann wohl die Höhe ab Boden der Bucht ohne Wasser gemeint. Der Dachbalken ist 24,2m lang. Das Tor steht übrigens durch sein eigenes Gewicht, immerhin 60t, wobei die zusätzlichen 7t Steine in einem Hohlraum des oberen Rahmen auch beitragen dürften.


Der Schrein selbst steht übrigens mit all seinen Gebäuden ebenfalls im Wasser. Bzw. schwebt auf hölzernen Plattformen darüber. Als wir dort waren, war allerdings gerade Ebbe und deshalb das Ganze etwas weniger spektakulär. Aber immer noch spektakulär genug, einschließlich der orangen Farbe. Vermillion wieder.


In seiner heutigen Form entstand der Schrein 1168. Wobei die Gebäudesubstanz sicher jüngeren Datums ist. Erhalt bedeutet in Japan nicht wirklich erhalten der Originalsubstanz, sondern erneuern in der alten Form. Übrigens entstand der erste Schrein bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, genauer 593 (das englische Infoblatt bietet doch tatsächlich viel detailliertere Informationen als das deutsche ;-) ). Für die Umgestaltung 1168 war dann ein Taira-no-Kiyomori zuständig. Die Taira, die auch Heike genannt werden (ja, genau ;-), lagen mit den Minamoto im Clinch um die Vorherrschaft in Japan am Ende des 12. Jahrhunderts. Davon gibt es ein ganzes Epos, die Heike Monogatari. Nur so am Rande, weil ich das mit dem Namen so lustig finde. No na ;-)

Neben dem Zugang zum Schrein kann man, so wie wir das erstmal gemacht haben, noch vor dem Besuch des Schreins über einige viele Stufen den über dem Schrein gelegenen Hokoku, oder auch Senjokaku, besichtigen. Eine Bibliothek buddhistischer Sutras. Dieser sehr große Pavillon oder eher Halle wurde 1597 von Toyotomi Hideyoshi errichtet, nach seinem Tod jedoch nicht ganz vollendet. Auch wenn zum Teil Deckenverkleidungen und so fehlen, ist das Bauwerk schon allein wegen seiner Größe ein beeindruckender Bau.


Direkt daneben steht eine fünfstöckige Pagode, deren Bau auf 1407 datiert wird.


Oben auf dem Berg Misen gibt es auch noch eine Tempelanlage. Da uns diese ebenso wie der Ausblick ans Herz gelegt wurden, war das nach dem Schrein als nächstes Ziel geplant. Was zu Fuß schon ein paar Stunden in Anspruch nimmt, kann man mit der Seilbahn abkürzen. Wenn man den Zustieg zur Seilbahn ein Stück den Berg hinauf durch den Momijidani-Park gemeistert hat. Ambitioniert haben wir nur das One-Way-Ticket gekauft, der Abstieg war zu Fuß geplant. Leider zog es bereits beim Anstieg zur Seilbahn zu und fing zu tröpfeln an. Was sich dann während der ersten Seilbahnfahrt zu Regen auswuchs. Die Seilbahn besteht übrigens eigentlich aus zwei Seilbahnen. Mit der einen überwindet man Höhenmeter, während die zweite nicht mehr gar so sehr an Höhe gewinnt, dafür ein gutes Stück über den Baumwipfeln überwindet. Dazwischen muss man umsteigen. Wenn das Wetter nicht ganz so mistig gewesen wäre, hätte man eine tolle Aussicht gehabt. Hatten wir nicht. Bucht und Meer und Ferne hat man nicht gesehen, alles im Dunst verschwunden. Dafür Baumwipfel und Regentropfen. Ganz oben auf der Bergstation hat es dann richtig geschüttet. Die Motivation auf einen Abstieg zu Fuß sank rapide. Und bevor wir dann vielleicht auch noch da oben festsaßen, weil inzwischen auch noch Wind aufgekommen war und das den Seilbahnbetrieb vielleicht einschränken könnte, sind wir lieber ganz schnell wieder runter. Immerhin hatten wir eine nette Seilbahnfahrt. Besonders die hinunter. Da haben wir uns nämlich die Kabine mit 4 Japanerinnen geteilt, die mit ein paar Brocken Englisch und Händen und Füßen ein Gespräch anfingen. Vor allem über Essen. Lustig war's.

Der Berg Isen ist übrigens von einem alten Urwald bedeckt.


Immerhin war der Regen dann auch wieder vorbei, als wir unten ankamen, so dass wir zumindest den Daishoin Tempel noch geschafft haben. Eine recht große, ruhig gelegene Anlage mit vielen Skulpturen über das Gelände verteilt. Wirklich viele. Und so gut wie alle hatten Häkelmützchen auf. In verschiedenen Farben.


Und da es dann auch schon wieder nach 16 Uhr war und überall die Läden hochgeklappt wurden (oder eher die Rollo runtergelassen), haben wir geschaut, dass wir die nächste Fähre erreichen. Und den Anschlusszug. Hiroshima haben wir nicht gesehen, nur zum Umsteigen. Leider. Zumindest der Memorial Dome wäre eigentlich ein Muss.


Bilder folgen. Ganz sicher.

Mehr Artikel auch. Wir haben noch einiges in Planung. Also bleibt dran.


Heike

Samstag, 20. April 2019

Perfekter Sichtbeton mit getupftem Kürbis drübergestreut - Bilder update

Eine der Inseln in der Inlandsee vor Okayama ist Naoshima. Seit die Benesse Corporation (die eigentlich anders hieß, ich hab vergessen wie, und ihren Namen auf Benesse geändert hat) die Insel für ihr Benesse Art Site Projekt ausgewählt hat, hat sich die Insel zu einer der größten Touristenattraktionen der Gegend entwickelt. Vorher hatte man mit Niedergang der ansässigen Industrie und des Fischfangs und sinkenden Einwohnerzahlen zu kämpfen. Nun sind auch auf einigen der angrenzenden Inseln bereits Kunstprojekte zu finden. Zum Beispiel auch auf Teshima, dessen Teshima Art Museum mit seinem gewölbten Kuppelraum mich sehr interessiert hätte, aber das ging sich schon allein wegen der Fährzeiten an nur einem Tag gemeinsam mit Naoshima einfach nicht aus. Grummel.
Aber Naoshima haben wir geschafft. Und das allein war toll genug.
Von Okayama sind wir mit dem Lokalzug nach Uno gefahren und von dort mit der Fähre nach Naoshima übergesetzt. Der Ankunftsort heißt Miyanoura. Dort gäbe es auch das eine oder andere zu sehen, zum Beispiel das Bad-Kunstprojekt I Heart Yu. Oder man fährt gleich mit einem der lustig gepunkteten Busse weiter.


Die Benesse Art Site liegt ein paar Kilometer entfernt ganz im Süden der Insel. Auf dem Weg dahin liegt an der Ostseite der Insel noch der kleine Ort Honmura. Dort ist das Art House Project zu finden. Mehrere, zumeist traditionelle Häuser wurden von derzeitigen Künstlern zu Kunstinstallationen umgewandelt. Oft unter Einbeziehung lokaler Geschichte. Relativ neu unter den Projekten ist das Ando Museum.


Von außen ein schlichtes Holzhaus im traditionellen Stil, entfaltet sich im Inneren und in die Tiefe gehend die erwartete schlichte Sichtbeton-Architektur. Das Museum ist klein, neben den Projekten für Naoshima sind auch ein paar andere Projekte, unter anderem eine Kirche und ein Reihenhaus in Osaka, ausgestellt.
Die anderen Installationen in Honmura haben wir uns dann nicht angesehen, uns zog es zur Benesse Art Site. Dabei soll unter anderem James Turrells Lichtinstallation in Minami-dera ganz toll sein.
Aber wir waren vor allem auf das Chichu Art Museum gespannt, und da sind wir dann auch als erstes hingefahren. Zuerst mit dem lokalen Bus bis zum Tor der Benesse Art Site, dann mit dem Benesse Bus weiter. Der ist übrigens kostenlos zu nutzen. Das Chichu Art Museum ist von den derzeit drei Museen vom Eingang aus das letzte und auch das am höchsten gelegene. Was wir nicht wussten, trotz Studiums der Website, war die Sache mit der Reservierung der Zeiten, an denen man Tickets kaufen kann. Wurde anscheinend letztes Jahr eingeführt. War dann aber kein Problem. Anscheinend ist zwar sonst im Land zur Kirschblütenzeit viel los, aber auf Naoshima war noch nicht Hochsaison. Unser Glück. Es waren zwar überall nicht wenig Leute, aber Schlange stehen mussten wir eigentlich nirgends. Und auch unsere Tickets für Chichu bekamen wir recht schnell. Die übrigens recht teuer sind. Und obwohl die Museen alle zur Art Site gehören, gibt es unverständlicherweise kein Kombi-Ticket. Jedes der Museen ist einzeln zu bezahlen. Zumindest für schnöde Tagesgäste. Für Gäste, die in einem der Häuser des Benesse House übernachten, gibt es nämlich ganz andere Möglichkeiten. Leider zählen die Unterkünfte alle zur Luxuskategorie und waren deshalb nichts für unser Budget. Nett wäre es nämlich schon gewesen, entweder im Museum oder im Oval oder Park oder Beach, zumeist mit Meerblick zu nächtigen.
Und auch die Gebäude der Unterkünfte sind ebenso wie die Museen alle Architektur von Tadao Ando. Oder eigentlich Ando Tadao, da in Japan immer zuerst der Familienname und dann erst der Vorname genannt wird.
Es war also sehr viel Sichtbeton zu sehen. Aber was für Sichtbeton. Diese Qualität hat mein leider inzwischen in Pension gegangener ehemaliger Chef jahrelang versucht zu erreichen und den Kampf leider immer verloren.


Mal abgesehen von einigen anderen Details. Den mindestens 10m langen, eher noch mehr, leicht schräg ansteigenden waagrechten Schlitz hätte ich gerne der Projektstatik zuhause gezeigt. Leider ist fotografieren nicht erlaubt. Nicht nur, dass man die Kunst nicht fotografieren darf. Nein, im Chichu Art Museum ist dezidiert auch das Fotografieren der Architektur nicht erlaubt. Einzige Ausnahme ist im Café das Essen und die Aussicht, die darf man fotografieren.
Und bei all dem Sabbern über den Sichtbeton fiel noch kein Wort über das Gebäude selbst. Das es als solches wahrnehmbar gar nicht gibt. Denn eigentlich ist das Chichu Art Museum eine Folge von unterschiedlich geometrischen Räumen, die in den Berg eingegraben sind. Mit natürlichem Licht, das die Räume durch wiederum unterschiedlich geformte Höfe erhalten. Und Oberlichter. Das Dach ist begrünt, so dass von oben wirklich nur die Höfe und Oberlichter wahrnehmbar sind.
Die Räume sind genau auf die Kunst der drei ausgestellten Künstler zugeschnitten. Besonders groß ist das Museum also nicht. Aber sehenswert. Ein Raum enthält fünf von Monets Seerosenbildern. Sonst nichts. Nur das gedämpfte Licht des Oberlichts hat der Raum eine ganz eigene Stimmung. Eine kleinere Abfolge von Räumen ist Lichtinstallationen von James Turrell gewidmet. Und ein großer Saal ist genau auf ein paar Skulpturen von Walter de Maria zugeschnitten. Von dem wir zugegebenermaßen vorher noch nichts gehört hatten.

Das zweite Museum, das Lee Ufan Museum, haben wir uns nur von außen angesehen. Die paar wenigen Fotos, die einen Eindruck von der Architektur und von der Qualität des Sichtbeton übermitteln können, haben wir dort gemacht.



Bliebe noch das Benesse House. Und die über das Gelände verteilten Skulpturen und Installationen.
Das 1992 eröffnete Benesse House war das erste Museum auf der Insel und zeigt neben der Dauerausstellung ortsbezogen geschaffene Werke. Da waren tolle Sachen dabei. Zum Beispiel eine Installation von Louise Nevelson aus der Serie Night Totality von 1974. Die mir bekannt vorkam. Kurze Recherche bei den Handyfotos ergab, dass wir letztes Jahr in der Londoner Tate Modern eine ähnliche Skulptur aus der Serie gesehen hatten.

Die am Gelände und vor allem am Strand verteilten Skulpturen sind auch sehenswert. In der Nähe des Beach-Komplexes nahe des Tores stehen ein paar Skulpturen von Niki de Saint Phalle. Und auf einem Steg einer der beiden getupften Kürbisse von Yayoi Kusama. Der gelbe mit den schwarzen Tupfen, der inzwischen zum Markenzeichen von Naoshima avanciert ist.


Und mit dem roten mit schwarzen Punkten gleich beim Fähranleger in Miyanoura der Grund ist, warum die lokalen Busse und auch die Fähre nach Uno so lustige bunte Tupfen haben. Der Kürbis am Steg der Benesse Art Site ist relativ klein, gerade mal mannhoch. Der beim Fähranleger ist vielleicht ein bisschen höher, aber auch von größerem Umfang. Und innen hohl. Einige der Punkte sind als Löcher ausgeschnitten, und es gibt ein großes Zustiegsloch. Und dieser Kürbis ist dann auch die Attraktion. Nicht nur die Kinder haben Spaß mit lustige Fotos machen :)

Yayoi Kusama hat seit einiger Zeit auch ein eigenes kleines Museum in Tokyo. Das wir leider nicht besichtigen werden, da die Anmeldezeit 2 (!) Monate im Voraus ist und wir das zu spät gesehen haben

Heike

Donnerstag, 18. April 2019

Burgen in schwarz und weiß

Wir hinken gnadenlos hinterher mit dem Berichten, denn eigentlich haben wir inzwischen so viel mehr gesehen und einige Kilometer zurückgelegt. Zu unserer Verteidigung: Wir haben viel mehr vorgeschrieben, aber die Technik will nicht ganz so wie wir. Unser kleiner treuer oranger Mini-Laptop, der bereits in Indien mit war, ist trotz Wiederbelebung durch den lieben G. von kleineren und größeren Zickereien geplagt. Bilder in den Text einfügen mag er manchmal nicht so gern. Und das Hochladen auf den Blog funktioniert meistens erst nach einigen Anläufen und Umwegen. Und manchmal macht er sich selbständig, da wandert die Maus gespenstisch durch die Gegend, markiert Text, verschiebt ihn, schließt Programme, usw. Und man sitzt davor und kann nichts tun. Außer immer wieder in sehr kurzen Abständen speichern, damit nicht zu viel verloren geht, wenn die Geisterstunde wieder anfängt. Das nur so am Rande, damit ihr nicht glaubt, wir sind schreibfaul oder wollen euch nicht teilhaben lassen ;-)

Burgen also. Die sehen hier in Japan anders aus als wir sie von Mitteleuropa gewohnt sind. Und die drei, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Verbunden mit den Burgen ist der Kriegeradel. Stichwort Samurai, Daymio, Shogun. Und weil hier immer wieder Begriffe auftauchen, die uns eigentlich nur in der europäischen Geschichte bewanderten wenig sagen, auch wenn wir sie schon mal gehört haben oder aus Film und Fernsehen ein Bild vor Augen haben, gab es Voraus auch den Versuch einer kurzen Übersicht über die Geschichte Japans.

Zurück zu den Burgen. Das sind übrigens durchwegs Stadtburgen. Sie waren Sitz eines Feudalherren, die ihm verpflichteten Samurai haben in umliegenden Quartieren gewohnt, quasi ein weiterer Burgbezirk, der zumindest im Fall von Himeji nochmals mit einer Mauer umfasst war. Zwölf dieser Feudalburgen sind übriggeblieben. Wir haben drei gesehen, Himeji-jo, Okayama-jo und Osaka-jo (das jo steht für Burg). Drin waren wir nur in einer. In Himeji-jo. Das ist auch die einzige von den dreien, die noch annähernd original erhalten ist. Die anderen beiden sind Rekonstruktionen mit Stahlbeton von 1931 (Osaka-jo) bzw. 1966 (Okayama-jo). Wobei es sicher nicht unspannend, gewesen wäre, innerhalb der Burg Osaka mit dem Lift in die 8. Etage bis zur Aussichtsplattform zu fahren. 


Leider fand mein Reisebegleiter die Aussicht auf Samurai-Rüstungen und Waffen nicht ganz so spannend wie ich und hat verweigert. Das Bier auf der gegenüberliegenden Terrasse des neugotischen Restaurantkomplexes war dann auch nicht schlecht ;-)
Und schon wieder abgeschweift. Dabei wollte ich doch von Himeji-jo erzählen. Auch Shirasagi-jo, „Burg des Weißen Reihers“ genannt, wegen des weißen Verputzes. Selbst der Fugenmörtel bei den Dachziegeln ist weiß. Und dank einer 2015 abgeschlossenen Restaurierung ist der Verputz derzeit auch wirklich strahlend weiß. Die Anlage ist groß. Und hat durchaus uns von unseren Burgen wohlbekannte Attribute. Umlaufender Wassergraben und hohe Festungsmauern. Diese leicht schräg und an den Ecken eher spitze Winkel (hat mich ein bisschen an Renaissancebefestigung erinnert, zu der es zeitlich auch gut passen würde). Mehrere Tore rundum. Dann ist man im äußeren Burgbereich. Der ist heutzutage als Park angelegt. Wie weit das früher auch so war, kann ich nicht sagen. Vermutlich früher eher ein Arbeits- und vor allem Übungsbereich. Jedenfalls haben wir hier auch wieder Unmengen an blühenden Kirschbäumen mit beglückt davon Fotos schießenden Japanern vorgefunden. Es ist immer noch schön :)


Der innere Burgbereich, durch weitere Tore erschlossen, ist wiederum in mehrere Höfe unterteilt. Eigentlich ist es ein veritables Labyrinth aus Höfen, Gängen und 21 Toren. Das Feinde, sollten sie jemals soweit kommen, verwirren sollte. Was nie bewiesen werden musste. Es gab einen extra Hof, den westlichen Burghof (nishi-no-maru) mit einer langen Galerie (die wirklich lang war) und ein paar Türmen. In der langen Galerie wurde die Geschichte der Burg beschrieben, Besitzer usw. Aber auch die in Japan wohlbekannte Geschichte der Prinzessin Sen. Und handwerkliche Ausführungen zum Bau der Burg. Holzverbindungen, Putzarbeiten oder eher Gipsarbeiten, Mauergefüge, war alles sehr spannend. Und eine interessante Holzverbindung gab es im Modell zum Anfassen und Zusammenstecken.


Die Namen Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu tauchen hier auch wieder auf (Na, Exkurs Geschichte gut gelesen? ;-) ). Ersterer hat 1581 einen dreistöckigen Hauptturm gebaut, letzterer war der Großvater von Prinzessin Sen. Der heutige Hauptturm (für den ich den englischen Begriff Keep fast passender finde, da mehr als ein Turm) wurde von 1601-1609 gebaut. Der von außen wie fünfstöckig aussieht, jedoch im Mauersockel ein Untergeschoss und ein verstecktes Obergeschoss besitzt, also eigentlich siebenstöckig ist. 


Und aus einer ausgefachten und verputzten Holzkonstruktion besteht. Im Inneren gibt es zwei hohe Pfeiler, die vom Untergeschoss bis zum 5. Stockwerk reichen. Der östliche Pfeiler ist gestückelt und gab wohl auch mal etwas nach, so dass der ganze Turm sich zu neigen begann und man versteckte Unterstützungen einbaute, um ein Zusammenbrechen zu verhindern. Außerdem zu sehen sind Verteidigungsanlagen wie Plattformen, von denen Steine auf Angreifer geworfen werden konnten, und leider leere Waffengestelle.


Auf jeden Fall eine äußerst beeindruckende Anlage. Die das UNESCO Weltkulturerbe verdient. Die Listung als erste japanische Welterbestätte hat Himeji 1993 erhalten als Repräsentant der Japanischen Hölzernen Burgkonstruktion.
Vor der von 2009 bis 2015 stattgefundenen Heisei Ära Restaurierung gab es bereits die Meiji Ära Restaurierung von 1910/11 und die Showa Ära Restaurierung, die 1934 begann und 1950 wieder aufgenommen wurde. 1945 wurde die Stadt Himeji durch zwei Bombardierungen quasi dem Erdboden gleich gemacht, Himeji-jo bleibt wunderbarerweise stehen. Es gibt ein Foto, auf dem die Burg über einem Trümmerfeld thront.
Bei der 2,4 Milliarden Yen teuren Heisei Restaurierung wurden unter anderem die Dächer des Hauptturms erneuert, der weiße Verputz neu geweißt bzw. im 5. Geschoss komplett ausgebessert, kaputte Bodendielen und Fenster wurden repariert oder ersetzt und die Pfeiler verstärkt, um sie erdbebensicher zu machen. 15.000 Arbeiter waren damit beschäftigt. Die Putzausbesserungen wurden mit einer 3cm dicken Lage aus weißem Putz vorgenommen. Dieser Putz wurde nach einer traditionellen Methode hergestellt und besteht aus gelöschtem Kalk, Muschelasche, Hanffasern und Algen.
Außerhalb der Burg, aber gleich daneben, gab es dann noch mit einem Kombi-Ticket die ehemaligen Samurai-Quartiere zu sehen. War jedenfalls im Reiseführer so beschrieben. Die entpuppten sich dann als gar nicht so kleine Gartenanlage mit neun unterschiedlichen abgeschlossenen Gartenräumen. Die Koko-en genannte Gartenanlage wurde allerdings 1992 wirklich auf den archäologisch ausgegrabenen Samurai-Häusern und Straßen von Nishi-Oyashiki im Stil der Edo-zeitlichen Gartenanlagen (1600-1868) errichtet. 


Da Himeji nur als Zwischenstop zwischen Kyoto und unserem nächsten Quartier in Okayama eingeplant war und die Stadt vermeintlich nicht mehr hergab, sind wir am frühen Nachmittag mit dem Shinkansen gleich weitergefahren. Dass Himeji auch ein von Ando Tadao gebautes Literaturmuseum aufweisen kann, habe ich erst einige Tage später zu spät mitbekommen. Da hatten wir dann recht viel Ando Tadao, aber dazu später mehr. Noch sind wir immer noch bei den Burgen und auch Parks. Okayama-jo ist das Gegenteil von Himeji-jo. Zwar nicht in der Form, die ist ähnlich. Aber nach Zerstörung in WK2 wie schon erwähnt 1966 in Stahlbeton rekonstruiert und außerdem schwarz statt weiß. Was ihr den Namen U-jo, Krähenburg, eintrug.


Auf einer Insel im Fluss gleich bei der Burg und diese als geborgte Kulisse einbeziehend, befindet sich mit Korakuen einer der „drei berühmten“ Gärten Japans. Ein klassischer Wandelgarten, 1700 vollendet. Er war die erste Anlage Japans mit weitläufigen Rasenflächen.



Ursprünglich wurde der Garten vom residierenden Daimyo zur Erholung und zur Unterhaltung wichtiger Gäste genutzt. Das gemeine Volk hatte nur an gewissen Tagen Zugang. 1884 ging der Garten in den Besitz der Okayama Präfektur über und wurde für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Überflutungen haben 1934 dem Garten ebenso zugesetzt wie WK2-Bombardierungen, er wurde jedoch anhand von Edo-zeitlichen Zeichnungen und Diagramen wieder restauriert. Und wir haben das meiste davon dann noch gesehen, bevor er um 18 Uhr geschlossen hat :)
Sonst war Okayama ja eher mau. Und überraschend leer. Hungrig nach einem langen Tag und vom Park wieder Richtung Innenstadt und Bahnhof gehend, haben wir nach etwas zu essen Ausschau gehalten. Freitag Abend, und alles hatte gerade eben geschlossen, oder überhaupt zu. Das ist eh so eine Sache, die Öffnungszeiten. Es ist schwer begreifbar, warum Cafés in der Nähe von Sehenswürdigkeiten zur exakt gleichen Zeit zumachen wie die Sehenswürdigkeiten selbst, wenn nicht sogar schon früher. Und die Sehenswürdigkeiten machen früh zu. Die meisten Tempel bisher (und auch die Museen, deren Öffnungszeiten wir nachgeschaut haben) schließen um 16:30, einige sogar schon um 16 Uhr, einige wenige um 17 Uhr, gang ganz selten mal um 18 Uhr. Nicht viel Zeit also, um das Programm durchzuziehen. Und wenn man dann danach ausgehungert und geschlaucht nach gemütlich sitzen und einem Kaffee giert, steht man vor verschlossener Tür. Auch bei vielen Geschäften ist um 17 Uhr oder 18 Uhr Schluss. Außer in den Shopping Malls, die haben zumeist bis um 20 Uhr geöffnet. Aber auch dort nicht alle. Und viele Restaurants schließen um 21 Uhr, oder 22 Uhr. Das Zeitfenster, am Abend etwas zu essen zu finden, ist also nicht allzu groß. Hat aber den Vorteil, dass man früh wieder im Hotel ist ;-)
Die Restaurants, die länger geöffnet haben, gibt es garantiert, nur sind die für der Sprache und der Schrift unkundige eher schwer zu finden. Und in viele kommt man anscheinend auch nur mit Einladung oder als Nicht-Japaner sowieso nicht rein. Mal davon abgesehen, dass es auch Restaurants und Bars in den oberen Stockwerken der Gebäude gibt.
Und damit wären wir wieder in Okayama. Ernüchtert durch leere Straßen und geschlossene Lokale (dass es an anderer Stelle sehr wohl Leben gibt, wussten wir da noch nicht), und weil der Name so nett klang, haben wir die nicht sehr ansprechende Stiege in den ersten Stock zu Lily´s Diary erklommen. Und haben einen Volltreffer gelandet. Es war nicht nur nett eingerichtet, sondern bot auch Craft Beer. Richtige Mahlzeiten gab es zwar leider nicht, sondern „nur“ Snacks zum Bier dazu. Die waren aber so gut und reichlich und außerdem so liebevoll angerichtet, dass wir tatsächlich satt wurden. Nachdem wir die Sprachhürde gemeistert hatten. Die junge Frau hinter der Theke konnte nämlich kein Englisch. Und die Speisekarte hatte keine Fotos. Mit Händen und Füßen und dem Schrifterkennungs- und Japanisch-Englisch-Übersetzungsprogramm am Handy haben wir uns dann einigermaßen verständigt und zurechtgefunden. Und haben gut gewählt. Irgendwann kam dann noch ein junger Mann, und der konnte dank eines Auslandsjahrs in England auch einigermaßen englisch. Die beiden sind nicht nur total lieb, sondern auch miteinander verheiratet und haben das Lokal noch nicht lange geöffnet. Und es wäre ihnen zu wünschen, dass es noch mehr Leute finden. Die Auswahl an Craft Beer war übrigens ausgezeichnet, wenn auch klein. Ebenfalls ausgezeichnet und mit größerer Auswahl war die im 2. Stock gelegene Craft Beer Bar des nächsten Abends, das Beer Island. Und wieder mit ausgezeichnetem Essen, diesmal auch mit warmen Mahlzeiten. In der Hinsicht hat sich Okayama also ausgezahlt ;-)
Und weil die durchaus berechtigte Frage kam, warum man ausgerechnet nach Okayama fährt: Von dort ist es nicht weit bis zur vor Okayama gelegenen Insel Naoshima. Und auf der wiederum befindet sich die Benesse Art Site. Die einen eigenen Artikel bekommt.
Ebenso wie die vor Hiroshima gelegene Insel Myajima mit ihren Tempeln und Schreinen.
Dafür packen wir hier Osaka noch mit rein. Weil es gerade so gut passt zum Burgenthema.
Obwohl eh weiter vorn schon alles zu lesen ist, was wir zur Burg Osaka sagen können. Außer dass sie schwarz und weiß ist.
Osaka ist außerdem die Stadt der Händler. Und hat mit Dotombury im Süden der Stadt eine schrille und dank Werbetafeln bunt beleuchtete und blinkende Einkaufsmeile zu bieten. Und das wars dann auch schon. Zumindest für uns.


Wir sind dann mit Shinkansen und Lokalbahn und Bus und 3x umsteigen über Tokyo vom Südwesten der Hauptinsel Honshu nach Nordosten gefahren, nach Nikko. Auch davon später mehr, dieser Beitrag ist lang genug geworden.

Heike

Mittwoch, 17. April 2019

Kurzer Exkurs zur Geschichte Japans

Sehr kurz und auf das Wesentliche kondensiert, aber hoffentlich hilfreich für das Verständnis einiger verwendeter Begriffe und Zusammenhänge.
Zitat DK Vis-à-Vis Japan, S.55: „Fest steht, dass dieses Inselvolk sich wie ein Kontinentalvolk entwickelte, während seine Isolation es zugleich vor Angriffen schützte. So wurde Japan, obwohl chinesisch geprägt, zu einer eigenständigen Kulturnation.“

Epochen:
  • Jomon 14500-300v.Chr.
  • Yayoi 300v.Chr.-300
  • Kofun/Asuka 300-710
  • Hakuho 645-710
  • Nara 710-794
  • Heian 794-1185
  • Kamakura 1185-1333
  • Muromachi 1333-1568
  • Momoyama 1568-1600
  • Tokugawa (Edo) 1600-1868
  • Meiji 1868-1912
  • Taisho 1912-1926
  • Showa 1926-1989
  • Heisei 1989-2019
  • Reiwa ab 1.Mai 2019

In Stichpunkten
  • Adelsgeschlechter, auch die (bis heute ununterbrochene) kaiserliche Linie, entstanden in den ersten Jahrhunderten n.Chr. Einführung des Buddhismus Ende des 6.Jh., genauer nach 593 durch Prinz Shotoku (von Kaiserin Suiko zum Regenten ernannt. So wie es mehrmals Kaiserinnen in der jap. Geschichte gab. Auch wenn nach wie vor die männliche Thronfolge gilt).
  • 701 wird der Taiho-Kodex, das erste japanische Rechtssystem, eingeführt.
  • 710 wird Heijo-kyo, das heutige Nara, Residenz und erste Hauptstadt, außerdem Zentrum des Buddhismus
  • 794 wird unter dem Fujiwara-Klan und Kaiser Kammu Heian-kyo, das heutige Kyoto, errichtet und zur Hauptstadt. Die es bis 1868 bleibt, auch wenn ab 1185 die Macht des Kaisers immer wieder über Jahrhunderte durch die Militär-Shogunate und deren Residenzstädte abgelöst wurde
  • 1185 150 Jahre Frieden und Stabilität unter dem Kamakura-Shogunat des Minamoto-Klans
  • 1333 kehrt unter dem Muromachi-Shogunat die militärische Macht an den Kaiserhof in Kyoto zurück. Chaos, Kriege und Hunger. 1477 sind nach 10 Jahren Onin-Krieg große Teile Kyotos zerstört. Destabilisierung der politischen Lage, auch durch Kontakt mit Ausländern im 16.Jh.
  • 1568-1600 unter der Momoyama-Zeit sind vor allem die Namen der beiden Samurai Oda Nobunaga und nach dessen Tod der seines Stellvertreters Toyotomi Hideyoshi wichtig, die beide nie den Titel eines Shogun beanspruchten. Zwei erfolglose Korea-Invasionen, Verfolgung der portugiesischen Missionare.
  • Samurai: DK Vis-à-Vis Japan, S. 58 „Die Samurai, in Japan bushi genannt, tauchten im 9. Jh. auf, als der Kaiserhof in Kyoto aus Verachtung für die Kriegskunst die Verteidigung entfernter Ländereien Bauernkriegern vor Ort übertrug. Die Samurai, die aus den daimyo (Feudalherren) hervorgegangen waren, bildeten mit der Zeit eigene Abstammungslinien. Der Kriegeradel wurde sogar mächtiger als der Kaiser. Aus den Reihen der Samurai stammten die Shogune (Kronfeldherren) des 12. bis 19. Jahrhunderts. Ihre strengen Treue- und Verhaltenskodizes, bushido (Weg des Kriegers), die teils auf dem Zen-Buddhismus beruhen, enthalten auch das berühmte Selbstmordritual (seppuku).“
  • Tokugawa Ieyasu (1543-1616), neben Oda Nobunaga (1534-1582) und Toyotomi Hideyoshi (1537-1598) der dritte der „Drei Helden“ der Samurai-Geschichte, erlangt um 1600 die Vorherrschaft über Japan und wird 1603 vom Kaiser zum Shogun ernannt. Residenz in Edo, dem heutigen Tokyo (um 1700 wahrscheinlich die größte Stadt der Welt. Kyoto jedoch weiterhin Hauptstadt).
  • Am Rande: Der von James Clavells Roman Shogun bekannte Brite William Adams, der 1600 auf einem holländischen Schiff nach Japan gekommen war, diente ihm 20 Jahre in verschiedenen Funktionen
  • Strenge Regulierungen. 1614 Verbot des Christentums, Verfolgungen. Unter dem bis 1868 andauernden Togukawa-Shogunat beginnende Isolation, ab 1641 nur chinesische, holländische, koreanische und südostasiatische Handelsschiffe und nur nach Deijima/Nagasaki zugelassen. 200 Jahre andauernde Isolation Japans vom Rest der Welt.
  • Ab Mitte des 19.Jh. Unruhen unter den Samurai. 1853 4 US-Kriegsschiffe in der Bucht von Edo erzwingen internationale Beziehungen, Kanagawa-Vertrag.
  • 1868 Meiji-Restauration, Wiederherstellung der kaiserlichen Macht, Reorganisation der Regierung. Neue Hauptstadt wird Tokyo. Neues zentralisiertes System. Japan wurde mit dem Westen konkurrenzfähig gemacht und holte schnell auf. Einführung der Militärpflicht. Anstrebung der allgemeinen Volksbildung.
  • 1884 Steuer- und Bankreformen, exportfreudige Industriestrategie.
  • 1889 Verfassung, Parlament (Ober- und Unterhaus), Militär wird direkter Zugang zum Thron gewährt.
  • 1. Chinesisch-Japanischer Krieg 1894/95; Russisch-Japanischer Krieg 1904/05; 1910 Annexion Koreas; 1937 Beginn 2. Chinesisch-Japanischer Krieg; 1941 Eintritt Japans in 2. Weltkrieg, August 1945 Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, Kapitulation Japans; Verzicht des Kaisers auf seinen Gottstatus, Landreform, 1952 Ende der Besatzung
  • 1868-1945 Verbot des Buddhismus, Shintoism Staatsreligion
  • Durch anhaltenden Export von Hightech-Produkten, Autos und Elektronikartikeln wird Japan zu einer der reichsten Nationen der Welt. Rezession ab 1997, Einbruch bei Finanzkrise 2009
  • 1995 Kobe-Erdbeben, Giftgasanschlag in der Tokyoter U-Bahn
  • 2011 Erdbeben und Tsunami in der Region Fukushima, über 15000 Menschen sterben, durch die Kernschmelze eines Atomreaktors und die freigesetzte Radioaktivität werden Teile der Region Fukushima auf lange Zeit unbewohnbar, 170000 Menschen davon betroffen.

Hoffentlich hilft euch das ebenso wie uns, einiges besser zu begreifen. Einige Namen tauchen im Zusammenhang mit den besuchten Stätten immer wieder auf.

Montag, 15. April 2019

Wir können auch schnell :)

An unserem letzten Tag in Kyoto haben wir dann doch noch einiges aufgeholt. Für den ersten Tempel, den Saiho-ji, hatten wir aufgrund der Anmeldung einen genau vorgegebenen Zeitpunkt des Eintritts vorgegeben. Wir mussten also um spätestens 10 Uhr morgens am westlichen Stadtrand, also anderen Ende der Stadt sein. Dank des generell bisher in Japan als sehr gut erlebten öffentlichen Verkehrssystems, war das trotz Umsteigen kein Problem. Und trotz der Anmeldungsprozedur waren mehr Besucher als erwartet.
Der buddhistische Zen-Tempel Saiho-ji hat bereits in den 1970er Jahren begonnen, die Zahl der Besucher zu regulieren. Also bereits bevor er als einer der bereits erwähnten 14 Tempel und Schreine Weltkulturerbe wurde. Die Prozedur scheint seit damals gleich geblieben zu sein. Man muss nämlich schriftlich, per Brief, unter Nennung des Zeitraums des möglichen Besuchs, um Erlaubnis ansuchen. Die Zu- oder eventuell auch Absage wird dann mittels des beigelegten selbst adressierten Rückkuverts übermittelt. Online geht gar nichts.
Saiho-ji wird auch Koke-dera, der Moostempel genannt. Damit ist verständlich, warum der Zugang zum Tempel und vor allem zum Garten besuchermäßig reguliert werden musste. Im 8. Jahrhundert gegründet, wurde die Anlage nach 1338 repariert und der Garten in seiner heutigen Ausformung angelegt. Er besteht aus zwei Ebenen. Die obere im sog. Karesansui-Stil. Die untere im klassischen Stil mit Wegen um einen Teich, der wie das chinesische Schriftzeichen für Herz geformt ist. Es sind über 120 verschiedene Moosarten im Garten anzutreffen.


Bevor wir allerdings in den Garten durften, wurden wir mit den anderen Besuchern des gleichen Termins in der Haupthalle versammelt. Und haben erstmal ein Sutra kopiert, also die vorgedruckten japanischen Schriftzeichen mit einem Pinselstift nachgemalt, einen Wunsch und den Namen dazugeschrieben und abgegeben. Eine gute Übung zum runterkommen ;-)

Aber dann. Und es hat sich ausgezahlt. Die gesamte Anlage ist wirklich sehr schön.


Da wir natürlich ohne Frühstück losgestürmt waren und uns auf dem Weg auch nichts ansprang, waren wir danach ziemlich hungrig. War ja auch bereits Mittag. Zum Glück war gleich bei der Bushaltestelle ein kleines Resti, das verschiedene Suppen mit Soba, also Buchweizennudeln, anbot. Dann unsere erste Busfahrt gemeistert. In Japan steigt man hinten bzw. in der Mitte in den Bus ein und vorne aus und bezahlt beim Aussteigen. Denn als nächstes stand der nördlich vom Saiho-ji gelegene Bambushain am Programm. Den wir mit einem Umweg durch Tempel und vor allem Garten Tenryu-ji erreichten, ebenfalls ein Weltkulturerbe. Der Bambushain war beeindruckend, riesige Stängel, leicht wogend.

Und wir lagen gut in der Zeit. Also wieder mit dem Bus, im Norden bleibend, etwas nach Osten zum Ryoan-ji. Das nächste Weltkulturerbe. Und hauptsächlich wegen seines wohl um 1500 entstandenen Rock Garden, also Steingarten, bekannt. Der Inbegriff des Zen-Garten. In einer nicht allzu großen rechteckigen Kiesfläche (10x25m) mehrere Steine. 15 an der Zahl. Sonst nichts.

Und weil in der Nähe, und gerade noch machbar, haben wir dann auch noch Rokuon-ji mit Kinkaku, dem goldenen Pavillon, abgehakt.


Hurra, 4 Tempel, gleichzeitig 4 Weltkulturerbe. An dem Tag haben wir doch noch ein bisschen aufgeholt. Nur Kiomizu-dera, den haben wir dann beim besten Willen nicht mehr geschafft. Der Bus hat ewig vom Norden bis in den Osten von Gion gebraucht, unter anderem, weil er so voll war. Aber immerhin die beiden zaka, die kleinen Gassen mit alten Holzhäusern auf dem Weg zum Tempel, die haben wir noch vor Einbruch der Dunkelheit geschafft.

Doch ein beachtlicher Erfolg des Tages.

Heike

1000 und mehr Torii

Ein neuer Tag, ein neuer Tempel. Oder vielmehr Schrein. Wir sind nach Süden gefahren, zum Fushimi Inari Taisha Schrein. Der wohl bereits seit 711 an dieser Stelle liegt, wenn auch die heutigen Gebäude natürlich jüngeren Datums sind. Und der der Haupt-Schrein für die 30.000 Inari-Schreine japanweit ist. Der dahinterliegende Berg heißt ebenfalls Inari. Inari Okami ist übrigens der Gott der Ernte. Der Schrein ist noch dem Schutzgott der Geschäfte, des Wachstums und geschäftlichen Erfolgs und dem Schutz der Familie geweiht.


Wie die Bezeichnung Schrein schon aussagt, ist Fushimi Inari shintoistisch. Das heißt Wasserbecken mit Schöpfkellen. Das heißt Tafeln mit unzähligen Taferln mit Wünschen drauf. Und noch einiges andere mehr. Die Wunschtaferl waren dann insofern unterschiedlich, als ganz unten, nahe beim Hauptaltar, viele kleine Torii hingen. Etwas weiter oben waren es dann dreieckige Taferl, die einen Fuchskopf darstellen sollten. Diese angedeuteten Füchse wurden dann noch lustig angemalt. Und natürlich Namen und Wünsche drauf geschrieben. Der Fuchs wird als Bote des Getreidegottes Inari gesehen.



Füchse waren wirklich viele zu sehen. Beidseitig als Wächterfiguren auf jedem noch so kleinen Altar. Die paar dazwischen gestreuten Frösche sind da fast untergegangen. Aber die Hauptattraktion sind natürlich die Torii. Mehr als 10.000 Torii ziehen sich über mehrere Kilometer den Berg hinauf. Alle rotorange, oder Vermillion, wie die Farbe in der englischen Übersetzung bezeichnet wurde. In der Beschreibung steht, dass die Farbe Vermillion seit frühester Zeit als Symbol für die Lebenskraft angesehen wurde und gegen Verwünschungen helfen sollte. Es ist die Farbe, die die Macht des Gottes der Ernte Inari Okami darstellt, deshalb sind viele der Gebäude des Schreine und so gut wie alle Torii in Vermillion gestrichen. Ein eindrucksvolles Bild. Es sind dann auch sehr viele Fotos entstanden. Zunächst war es schlichtweg unmöglich, angesichts der Menschenmassen brauchbare Fotos hinzubekommen oder überhaupt einigermaßen durchzukommen.


Je weiter wir jedoch nach oben Richtung Berggipfel kamen, desto mehr dünnte es aus. Und auf einmal wussten wir, wie die anderen die Fotos ohne Menschen geschafft hatten. Wir sind nämlich den ganzen Rundweg auf den Berg und wieder zurück gegangen. Natürlich. 233 Meter und mindestens 4 Kilometer. Eher mehr, gemessen an der Zeit, die wir dafür gebraucht haben. Eine genaue Angabe für die Länge der Strecke haben wir bis jetzt noch nicht gefunden.


Mit Mittagessen auf halber Strecke den Berg hinauf haben wir den Tag dann nur dort verbracht, alle anderen Tempel unseres Tagesplans waren bereits geschlossen, als wir endlich wieder unten waren. Und noch ein paar Sehenswürdigkeiten weniger.

Was durch den Regen am nächsten Tag nicht besser wurde. Den haben wir dann nämlich mit Besuch des Nishiki-Marktes und der umgebenden überdachten Einkaufspassagen verbracht.
Dummerweise hatten andere die gleiche Idee, weshalb es stellenweise ein ziemliches Geschiebe war. Wir haben trotzdem gute Sachen zum Probieren und Essen gefunden. Zum Beispiel frittierte Bällchen, in Sesam gewälzt und mit süßer roter Bohnenpaste oder Camembert gefüllt. Und außerhalb auch ein paar Geschenke und Mitbringsel. Insofern war der Tag also nicht vergeudet, auch wenn unser Besichtigungsprogramm noch mehr leiden musste. 

Heike