Donnerstag, 18. April 2019

Burgen in schwarz und weiß

Wir hinken gnadenlos hinterher mit dem Berichten, denn eigentlich haben wir inzwischen so viel mehr gesehen und einige Kilometer zurückgelegt. Zu unserer Verteidigung: Wir haben viel mehr vorgeschrieben, aber die Technik will nicht ganz so wie wir. Unser kleiner treuer oranger Mini-Laptop, der bereits in Indien mit war, ist trotz Wiederbelebung durch den lieben G. von kleineren und größeren Zickereien geplagt. Bilder in den Text einfügen mag er manchmal nicht so gern. Und das Hochladen auf den Blog funktioniert meistens erst nach einigen Anläufen und Umwegen. Und manchmal macht er sich selbständig, da wandert die Maus gespenstisch durch die Gegend, markiert Text, verschiebt ihn, schließt Programme, usw. Und man sitzt davor und kann nichts tun. Außer immer wieder in sehr kurzen Abständen speichern, damit nicht zu viel verloren geht, wenn die Geisterstunde wieder anfängt. Das nur so am Rande, damit ihr nicht glaubt, wir sind schreibfaul oder wollen euch nicht teilhaben lassen ;-)

Burgen also. Die sehen hier in Japan anders aus als wir sie von Mitteleuropa gewohnt sind. Und die drei, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Verbunden mit den Burgen ist der Kriegeradel. Stichwort Samurai, Daymio, Shogun. Und weil hier immer wieder Begriffe auftauchen, die uns eigentlich nur in der europäischen Geschichte bewanderten wenig sagen, auch wenn wir sie schon mal gehört haben oder aus Film und Fernsehen ein Bild vor Augen haben, gab es Voraus auch den Versuch einer kurzen Übersicht über die Geschichte Japans.

Zurück zu den Burgen. Das sind übrigens durchwegs Stadtburgen. Sie waren Sitz eines Feudalherren, die ihm verpflichteten Samurai haben in umliegenden Quartieren gewohnt, quasi ein weiterer Burgbezirk, der zumindest im Fall von Himeji nochmals mit einer Mauer umfasst war. Zwölf dieser Feudalburgen sind übriggeblieben. Wir haben drei gesehen, Himeji-jo, Okayama-jo und Osaka-jo (das jo steht für Burg). Drin waren wir nur in einer. In Himeji-jo. Das ist auch die einzige von den dreien, die noch annähernd original erhalten ist. Die anderen beiden sind Rekonstruktionen mit Stahlbeton von 1931 (Osaka-jo) bzw. 1966 (Okayama-jo). Wobei es sicher nicht unspannend, gewesen wäre, innerhalb der Burg Osaka mit dem Lift in die 8. Etage bis zur Aussichtsplattform zu fahren. 


Leider fand mein Reisebegleiter die Aussicht auf Samurai-Rüstungen und Waffen nicht ganz so spannend wie ich und hat verweigert. Das Bier auf der gegenüberliegenden Terrasse des neugotischen Restaurantkomplexes war dann auch nicht schlecht ;-)
Und schon wieder abgeschweift. Dabei wollte ich doch von Himeji-jo erzählen. Auch Shirasagi-jo, „Burg des Weißen Reihers“ genannt, wegen des weißen Verputzes. Selbst der Fugenmörtel bei den Dachziegeln ist weiß. Und dank einer 2015 abgeschlossenen Restaurierung ist der Verputz derzeit auch wirklich strahlend weiß. Die Anlage ist groß. Und hat durchaus uns von unseren Burgen wohlbekannte Attribute. Umlaufender Wassergraben und hohe Festungsmauern. Diese leicht schräg und an den Ecken eher spitze Winkel (hat mich ein bisschen an Renaissancebefestigung erinnert, zu der es zeitlich auch gut passen würde). Mehrere Tore rundum. Dann ist man im äußeren Burgbereich. Der ist heutzutage als Park angelegt. Wie weit das früher auch so war, kann ich nicht sagen. Vermutlich früher eher ein Arbeits- und vor allem Übungsbereich. Jedenfalls haben wir hier auch wieder Unmengen an blühenden Kirschbäumen mit beglückt davon Fotos schießenden Japanern vorgefunden. Es ist immer noch schön :)


Der innere Burgbereich, durch weitere Tore erschlossen, ist wiederum in mehrere Höfe unterteilt. Eigentlich ist es ein veritables Labyrinth aus Höfen, Gängen und 21 Toren. Das Feinde, sollten sie jemals soweit kommen, verwirren sollte. Was nie bewiesen werden musste. Es gab einen extra Hof, den westlichen Burghof (nishi-no-maru) mit einer langen Galerie (die wirklich lang war) und ein paar Türmen. In der langen Galerie wurde die Geschichte der Burg beschrieben, Besitzer usw. Aber auch die in Japan wohlbekannte Geschichte der Prinzessin Sen. Und handwerkliche Ausführungen zum Bau der Burg. Holzverbindungen, Putzarbeiten oder eher Gipsarbeiten, Mauergefüge, war alles sehr spannend. Und eine interessante Holzverbindung gab es im Modell zum Anfassen und Zusammenstecken.


Die Namen Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu tauchen hier auch wieder auf (Na, Exkurs Geschichte gut gelesen? ;-) ). Ersterer hat 1581 einen dreistöckigen Hauptturm gebaut, letzterer war der Großvater von Prinzessin Sen. Der heutige Hauptturm (für den ich den englischen Begriff Keep fast passender finde, da mehr als ein Turm) wurde von 1601-1609 gebaut. Der von außen wie fünfstöckig aussieht, jedoch im Mauersockel ein Untergeschoss und ein verstecktes Obergeschoss besitzt, also eigentlich siebenstöckig ist. 


Und aus einer ausgefachten und verputzten Holzkonstruktion besteht. Im Inneren gibt es zwei hohe Pfeiler, die vom Untergeschoss bis zum 5. Stockwerk reichen. Der östliche Pfeiler ist gestückelt und gab wohl auch mal etwas nach, so dass der ganze Turm sich zu neigen begann und man versteckte Unterstützungen einbaute, um ein Zusammenbrechen zu verhindern. Außerdem zu sehen sind Verteidigungsanlagen wie Plattformen, von denen Steine auf Angreifer geworfen werden konnten, und leider leere Waffengestelle.


Auf jeden Fall eine äußerst beeindruckende Anlage. Die das UNESCO Weltkulturerbe verdient. Die Listung als erste japanische Welterbestätte hat Himeji 1993 erhalten als Repräsentant der Japanischen Hölzernen Burgkonstruktion.
Vor der von 2009 bis 2015 stattgefundenen Heisei Ära Restaurierung gab es bereits die Meiji Ära Restaurierung von 1910/11 und die Showa Ära Restaurierung, die 1934 begann und 1950 wieder aufgenommen wurde. 1945 wurde die Stadt Himeji durch zwei Bombardierungen quasi dem Erdboden gleich gemacht, Himeji-jo bleibt wunderbarerweise stehen. Es gibt ein Foto, auf dem die Burg über einem Trümmerfeld thront.
Bei der 2,4 Milliarden Yen teuren Heisei Restaurierung wurden unter anderem die Dächer des Hauptturms erneuert, der weiße Verputz neu geweißt bzw. im 5. Geschoss komplett ausgebessert, kaputte Bodendielen und Fenster wurden repariert oder ersetzt und die Pfeiler verstärkt, um sie erdbebensicher zu machen. 15.000 Arbeiter waren damit beschäftigt. Die Putzausbesserungen wurden mit einer 3cm dicken Lage aus weißem Putz vorgenommen. Dieser Putz wurde nach einer traditionellen Methode hergestellt und besteht aus gelöschtem Kalk, Muschelasche, Hanffasern und Algen.
Außerhalb der Burg, aber gleich daneben, gab es dann noch mit einem Kombi-Ticket die ehemaligen Samurai-Quartiere zu sehen. War jedenfalls im Reiseführer so beschrieben. Die entpuppten sich dann als gar nicht so kleine Gartenanlage mit neun unterschiedlichen abgeschlossenen Gartenräumen. Die Koko-en genannte Gartenanlage wurde allerdings 1992 wirklich auf den archäologisch ausgegrabenen Samurai-Häusern und Straßen von Nishi-Oyashiki im Stil der Edo-zeitlichen Gartenanlagen (1600-1868) errichtet. 


Da Himeji nur als Zwischenstop zwischen Kyoto und unserem nächsten Quartier in Okayama eingeplant war und die Stadt vermeintlich nicht mehr hergab, sind wir am frühen Nachmittag mit dem Shinkansen gleich weitergefahren. Dass Himeji auch ein von Ando Tadao gebautes Literaturmuseum aufweisen kann, habe ich erst einige Tage später zu spät mitbekommen. Da hatten wir dann recht viel Ando Tadao, aber dazu später mehr. Noch sind wir immer noch bei den Burgen und auch Parks. Okayama-jo ist das Gegenteil von Himeji-jo. Zwar nicht in der Form, die ist ähnlich. Aber nach Zerstörung in WK2 wie schon erwähnt 1966 in Stahlbeton rekonstruiert und außerdem schwarz statt weiß. Was ihr den Namen U-jo, Krähenburg, eintrug.


Auf einer Insel im Fluss gleich bei der Burg und diese als geborgte Kulisse einbeziehend, befindet sich mit Korakuen einer der „drei berühmten“ Gärten Japans. Ein klassischer Wandelgarten, 1700 vollendet. Er war die erste Anlage Japans mit weitläufigen Rasenflächen.



Ursprünglich wurde der Garten vom residierenden Daimyo zur Erholung und zur Unterhaltung wichtiger Gäste genutzt. Das gemeine Volk hatte nur an gewissen Tagen Zugang. 1884 ging der Garten in den Besitz der Okayama Präfektur über und wurde für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Überflutungen haben 1934 dem Garten ebenso zugesetzt wie WK2-Bombardierungen, er wurde jedoch anhand von Edo-zeitlichen Zeichnungen und Diagramen wieder restauriert. Und wir haben das meiste davon dann noch gesehen, bevor er um 18 Uhr geschlossen hat :)
Sonst war Okayama ja eher mau. Und überraschend leer. Hungrig nach einem langen Tag und vom Park wieder Richtung Innenstadt und Bahnhof gehend, haben wir nach etwas zu essen Ausschau gehalten. Freitag Abend, und alles hatte gerade eben geschlossen, oder überhaupt zu. Das ist eh so eine Sache, die Öffnungszeiten. Es ist schwer begreifbar, warum Cafés in der Nähe von Sehenswürdigkeiten zur exakt gleichen Zeit zumachen wie die Sehenswürdigkeiten selbst, wenn nicht sogar schon früher. Und die Sehenswürdigkeiten machen früh zu. Die meisten Tempel bisher (und auch die Museen, deren Öffnungszeiten wir nachgeschaut haben) schließen um 16:30, einige sogar schon um 16 Uhr, einige wenige um 17 Uhr, gang ganz selten mal um 18 Uhr. Nicht viel Zeit also, um das Programm durchzuziehen. Und wenn man dann danach ausgehungert und geschlaucht nach gemütlich sitzen und einem Kaffee giert, steht man vor verschlossener Tür. Auch bei vielen Geschäften ist um 17 Uhr oder 18 Uhr Schluss. Außer in den Shopping Malls, die haben zumeist bis um 20 Uhr geöffnet. Aber auch dort nicht alle. Und viele Restaurants schließen um 21 Uhr, oder 22 Uhr. Das Zeitfenster, am Abend etwas zu essen zu finden, ist also nicht allzu groß. Hat aber den Vorteil, dass man früh wieder im Hotel ist ;-)
Die Restaurants, die länger geöffnet haben, gibt es garantiert, nur sind die für der Sprache und der Schrift unkundige eher schwer zu finden. Und in viele kommt man anscheinend auch nur mit Einladung oder als Nicht-Japaner sowieso nicht rein. Mal davon abgesehen, dass es auch Restaurants und Bars in den oberen Stockwerken der Gebäude gibt.
Und damit wären wir wieder in Okayama. Ernüchtert durch leere Straßen und geschlossene Lokale (dass es an anderer Stelle sehr wohl Leben gibt, wussten wir da noch nicht), und weil der Name so nett klang, haben wir die nicht sehr ansprechende Stiege in den ersten Stock zu Lily´s Diary erklommen. Und haben einen Volltreffer gelandet. Es war nicht nur nett eingerichtet, sondern bot auch Craft Beer. Richtige Mahlzeiten gab es zwar leider nicht, sondern „nur“ Snacks zum Bier dazu. Die waren aber so gut und reichlich und außerdem so liebevoll angerichtet, dass wir tatsächlich satt wurden. Nachdem wir die Sprachhürde gemeistert hatten. Die junge Frau hinter der Theke konnte nämlich kein Englisch. Und die Speisekarte hatte keine Fotos. Mit Händen und Füßen und dem Schrifterkennungs- und Japanisch-Englisch-Übersetzungsprogramm am Handy haben wir uns dann einigermaßen verständigt und zurechtgefunden. Und haben gut gewählt. Irgendwann kam dann noch ein junger Mann, und der konnte dank eines Auslandsjahrs in England auch einigermaßen englisch. Die beiden sind nicht nur total lieb, sondern auch miteinander verheiratet und haben das Lokal noch nicht lange geöffnet. Und es wäre ihnen zu wünschen, dass es noch mehr Leute finden. Die Auswahl an Craft Beer war übrigens ausgezeichnet, wenn auch klein. Ebenfalls ausgezeichnet und mit größerer Auswahl war die im 2. Stock gelegene Craft Beer Bar des nächsten Abends, das Beer Island. Und wieder mit ausgezeichnetem Essen, diesmal auch mit warmen Mahlzeiten. In der Hinsicht hat sich Okayama also ausgezahlt ;-)
Und weil die durchaus berechtigte Frage kam, warum man ausgerechnet nach Okayama fährt: Von dort ist es nicht weit bis zur vor Okayama gelegenen Insel Naoshima. Und auf der wiederum befindet sich die Benesse Art Site. Die einen eigenen Artikel bekommt.
Ebenso wie die vor Hiroshima gelegene Insel Myajima mit ihren Tempeln und Schreinen.
Dafür packen wir hier Osaka noch mit rein. Weil es gerade so gut passt zum Burgenthema.
Obwohl eh weiter vorn schon alles zu lesen ist, was wir zur Burg Osaka sagen können. Außer dass sie schwarz und weiß ist.
Osaka ist außerdem die Stadt der Händler. Und hat mit Dotombury im Süden der Stadt eine schrille und dank Werbetafeln bunt beleuchtete und blinkende Einkaufsmeile zu bieten. Und das wars dann auch schon. Zumindest für uns.


Wir sind dann mit Shinkansen und Lokalbahn und Bus und 3x umsteigen über Tokyo vom Südwesten der Hauptinsel Honshu nach Nordosten gefahren, nach Nikko. Auch davon später mehr, dieser Beitrag ist lang genug geworden.

Heike

1 Kommentar:

  1. Alle Weltkulturerbe anschauen. Das wär was für die Pension und für die des nächsten Lebens.

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