Freitag, 12. April 2019

Tag 4 - Kyoto

Tempel en masse in Kyoto

Drei Tage später und wir sind hoffnungslos hinterher mit dem Programm. Es gibt einfach soviel zu Schauen, dass wir immer wieder abgelenkt werden. Und ziemlich sicher sind wir einfach hoffnungslos langsam. ;-)
Den Ausflug nach Nara haben wir schweren Herzens gestrichen. Keine Hirsche im Park und Riesen-Buddha-Statue. Heben wir uns für den nächsten Besuch auf ;-)
Dafür haben wir den Philosophenweg gleich am nächsten Tag doch noch geschafft. Allerdings sonst nichts mehr, die nördliche Tempelgruppe unserer Vorab-Planung am gleichen Tag war illusorisch, nix mit Silberner und Goldener Pavillon am gleichen Tag. Kommt davon, wenn man sich bereits am Hinweg ablenken lässt. Da unsere erste Unterkunft in Kyoto kein Frühstück bietet (dafür hätten wir eine Kochnische im Appartement, aber wir wollen ja schließlich auch beim Essen die Japan-Erfahrung), haben wir am Weg hin zum Philosophenweg nach einem uns genehmen Café Ausschau gehalten und sind letztendlich einem Wegweiser zum Murin-an Café gefolgt.


Das war dann komplett anders als erwartet. Murin-an war das Wohnhaus eines Generals der Meiji-Ära (oje, japanische Geschichte, da muss ich selbst nochmal nachlesen. Extrem verkürzt: Die Meiji-Restauration war zusammen mit der Öffnung Japans Ende des 19. Jahrhunderts). In einem großen japanischen Garten befindet sich neben dem traditionellen japanischen zweistöckigen Holzhaus und einem Teehaus noch ein ebenfalls zweistöckiges Haus westlichen Stils, in dessen oberem Stockwerk 1903 eine wichtige politische Konferenz stattfand. Deshalb wurde die Anlage gleich nach Übergang von der Familie an die Stadt Kyoto (1953) als Monument öffentlichen Interesses eingestuft. Die Gartenanlage enthält laut Infoblatt ebenfalls westliche Elemente, vermutlich ist damit die Rasenfläche gemeint. Jedenfalls war es schön ruhig, man konnte im Erdgeschoss bei geöffneten Schiebetüren auf den Tatamimatten sitzen und Tee trinken. Leider waren das dazu gereichte Zuckerl nicht wirklich magenfüllend, weshalb wir zwar um Wissen und einen wirklich schönen Garten bereichert, aber immer noch ziemlich hungrig das letzte Wegstück zum Philosophenweg in Angriff nahmen. Und uns diesmal nicht von den paar Tempeln am Weg ablenken ließen. Schließlich kann man nicht alles ansehen.
Was uns dann letztendlich doch vom Weg abbrachte bzw. aufhielt, war unser knurrender Magen. Der fand das auf Tempelgrund des ignorierten Nanzen-ji (ja, bis dahin waren wir konsequent) liegende Restaurant und das angepriesene Tofu-Set äußerst ansprechend, und da wir neugierig waren, wie man ein ganzes Menü aus Tofu variieren kann, sind wir rein. Das war dann auch gleich unsere erste Erfahrung mit einem eher traditionellen japanischen Restaurant. D.h. bei der deutlich erkennbaren Stufe Schuhe aus (und hier in Schließfächer eingesperrt), dann rauf in den oberen Stock und es sich an den niedrigen Tischen auf den auf den Tatami-Matten verteilten Kissen einigermaßen gemütlich machen. Den traditionellen Fersensitz sieht man zum Glück selbst die wenigsten Japaner zelebrieren, zumeist wird leicht versetzt oder im Schneidersitz gesessen. Trotzdem für uns ungeübte bei längerem Sitzen eine Herausforderung. Zum Essen selbst kommt an anderer Stelle mehr, wir haben einen extra Post zum Essen angefangen, der demnächst mal hier aufscheinen wird.


Schlussendlich haben wir den Philosophenweg dann wirklich geschafft. Mit einem kleinen Umweg über drei Tempel. Von denen nur der eine, von dem wir dachten, dass er geschlossen ist, Honen-in, auf war. Genauer gesagt, der Tempel war wirklich zu (nur zweimal im Jahr, Anfang April und im Herbst, für jeweils eine Woche geöffnet), aber die Gesamtanlage mit Garten war zu besichtigen. Während bei Reikan-ji und Anraku-ji bereits beim Tor Ende war. So waren wir wenigstens schneller bei Ginkaku-ji, das ist der mit dem Silbernen Pavillon.
Ginkaku-ji (oder auch Jisho-ji) ist einer der 14 buddhistischen Tempel und Shinto-Schreine, die 1994 zusammen mit 3 anderen in den benachbarten Städten Uji und Otsu zum UNESCO-Welterbe Historisches Kyoto (Kyoto, Uji und Otsu) erklärt wurden. Was sich dann auch in der Zahl der Besucher niederschlägt. Waren sonst schon zumeist nicht wenige Besucher bei den Tempeln, waren dort Massen. Was verständlich ist, die Gartenanlage ist wirklich sehr schön und hebt sich nicht nur durch den sog. Silbernen Pavillon (der nie seine eigentlich geplante Silberhülle bekam) von den anderen ab.


Und wie bei allen Gartenanlagen mit Besuchermassen wird man über ein Einbahnsystem auf genau gekennzeichneten sehr schmalen Wegen durch den Garten geführt. Sehr niedrige Absperrungen kennzeichnen die Bereiche, die nicht betreten werden dürfen (eigentlich eh alles außer den Wegen), und abgesperrte Wege erkennt man zumeist am horizontalen Bambusstab. So wird man aber auch zu allen Highlights der Gartenanlage geführt. Und der japanische Garten lebt ja sehr von Szenerie und Blickwinkeln. Und Symbolik. Die wir uns noch nicht erschlossen haben. Eigentlich hätte eine kurze Einarbeitung in japanische Gärten, ihre verschiedenen Typen und die Symbolik gut getan. Mit unserem rudimentären Wissen bemerken wir das meiste wahrscheinlich gar nicht, rennen also bildlich gesprochen mit Scheuklappen durch.
Leider war es danach schon wieder zu spät, um noch ein Stück Richtung Westen zu der Ansammlung von Tempeln im Norden Kyotos zu fahren und nach dem Besuch des Silbernen Pavillon gleich noch den Goldenen Pavillon dranzuhängen. Ungünstig für den Zeitplan, machen die meisten Tempel nämlich bereits um 16:30, spätestens 17 Uhr zu. Und das war mit dem Bus realistisch einfach nicht mehr zu schaffen, hätten wir doch mind. 40 Minuten, jedoch eher eine Stunde gebraucht. Sind wir halt noch ein bisschen mehr zu Fuß gegangen. Und zwar ein gutes Stück bis zu einer Sake-Brauerei. Beim Öffis recherchieren am Stadtplan entdeckt und spontan beschlossen, dass jetzt mal das „Geistige“ Vorrang hat ;-)
Und wir wurden nicht enttäuscht. Ein relativ kleiner Familienbetrieb in einem Wohnblock, mit interessanten Sorten Sake. Leider nicht ganz so trocken wie wir das sonst gerne haben. Was typisch sei für Sake aus Kyoto, wurde uns erklärt, und wiederum mit dem weichen Wasser zusammenhängt.
Beschlossen haben wir den Tag dann mit einem Spaziergang durch ein paar malerische Gässchen mit traditionellen alten Holzhäusern (die zumeist sehr teure Restaurants beherbergen) und, wie kann es anders sein, blühenden Kirschbäumen am Kanal. Und mit Sushi :)

Heike

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